Das Angebot eines Kirchner-Nachlasses
Ernst Ludwig Kirchner starb am 15. Juni 1938, Erna Schilling-Kirchner am 4. Oktober 1945. Im selben Monat wurde das Wildbodenhaus mit Kirchners nachgelassenen Kunstwerken von den Schweizer Behörden abgeschlossen. Am 4. Dezember 1945 wurde die Sperre des Nachlasses verfügt.
Eberhard W. Kornfeld, Bern, hat über den Weg von Ernst Ludwig Kirchners Nachlass geforscht und das Ergebnis 2017 in zwei Broschüren in seinem Verlag herausgegeben1. Danach nimmt im April 1946 Christian Anton Laely im Auftrag eines Notars den zeichnerischen und druckgrafischen Nachlass auf und fertigt ein Verzeichnis an. Nach Kornfelds Nachforschungen zweigt Kirchners letzter Schüler bei dieser Gelegenheit eine unbekannte Anzahl von Werken auf Papier ab, offenbar in der Absicht, sie in Deutschland zu verkaufen, entgegen einem Verbot der Alliierten. Er erfindet das Industriellen-Ehepaar Gervais, Zürich-Lyon und die »Society of Creative Intellectuals«, Davos. Unter diesem Namen erhält die Stadt Aschaffenburg 1946 das Angebot eines »Kirchner-Nachlasses«.
Am 14. Februar 1947 bedankt sich Oberbürgermeister Dr. Vinzenz Schwind bei den »sehr geehrten Herren« für »das hochwillkommene Angebot…« und lehnt es begründet ab. Eberhard W. Kornfeld hat den Wortlaut des Briefes zitiert. Er war adressiert an
Academie Internationale
International Society of
Creative Intellectials (sic!)
mit der damals üblichen anonymen Anrede: „sehr geehrte Herren“2.
Mehr konnte über dieses Angebot nicht herausgefunden werden. Es nicht bekannt welcher Teil des Nachlasses angeboten wurde noch ein Preis. Eine später genannte Versicherungssumme von 100 000 Sfr. beruht auf einer falschen Information (Kirchner-Symposium Davos und Frauenkirch 11. – 17. 9. 1988 bzw. »Main-Echo« vom 25. 3. 1989).
1 Eberhard W. Kornfeld, Die Geschichte des Nachlasses von Ernst Ludwig Kirchner ab 1938 bis heute, Bern, Juni 2017, S. 12. Ebd. Die Sammlung von hochwertigern Papierarbeiten von Ernst Ludwig Kirchner des Industriellen-Ehepaars Gervais, Zürich-Lyon. Ein Phantom, Bern, Juni 2017. Beide Schriften befinden sich in der Bibliothek des KirchnerHAUS-Vereins.
2 Dr. Sandra-Kristin Diefenthaler, Staatsgalerie Stuttgart, Auskunft am 04. 02. 2019. In »Ernst Ludwig Kirchner, die unbekannte Sammlung, Ausstellung in der Staatgalerie Stuttgart, Katalog S. 64, nennt Diefenthaler das Datum 4. Februar 1947 und bestätigt es par Mail im Februar 2019 noch einmal.