Die Aschaffenburger Kulturliga entdeckt E. L. Kirchner

Das »Main-Echo« kündigte am 2. März 1948 einen Aschaffenburger als Bahnbrecher moderner Kunst an. Mit großer Energie bereiteten die Verantwortlichen der Aschaffenburger Kulturliga die erste Kirchner-Ausstellung in der Stadt vor. Viel Zeit war nicht, den großen Sohn der Stadt kennenzulernen, denn die Ausstellung war nur vom 6. bis 12. März zu sehen.

Der Stadtrat winkte das Vorhaben schon einen Tag nach der Gründung der Kulturliga durch. In dessen Protokoll ist vom Graphiker Ludwig Kirchner die Rede. Die Stadtverwaltung fand einen Raum in der kriegsbeschädigten Luitpoldschule, in der kurz vorher der Unterricht wieder aufgenommen worden war.

Die Exponate kamen aus Frankfurt, wo die Galeristin Hanna Bekker vom Rath in ihrem Frankfurter Kunstkabinett vom 24. Januar bis Ende Februar eine Verkaufsausstellung mit Graphik und Aquarellen Kirchners aus verschiedenen Sammlungen zustande gebracht hatte.

Die Kulturliga bestellte im Auftrag der Stadt einen kleinen Prospekt bei der Druckerei Kirsch. Der Stadtrat steuerte 800 RM bei für die Versicherung. Dr. Willibald Fischer, damals Leiter des Kulturamts, pflegte die Korrespondenz mit Walter Kirchner und lieferte später die in Aschaffenburg gezeigten 34 Kirchner-Grafiken nach dessen Weisung im Landesmuseum Wiesbaden ab. Sie gingen von dort nach Köln, wo sie bei der Galerie Dr. Werner Rusche im Juli 1948 ausgestellt wurden.

Es ist festzustellen, dass in Aschaffenburg keine Graphik aus dem Schweizer Nachlass Ernst Ludwig Kirchners gezeigt wurde. Bruder Walter Kirchner war es, der seine Bestände auf die Reise geschickt hatte1 – viele davon als unverkäuflich bezeichnet. Hanna Bekker vom Rath konnte während ihrer Ausstellung vier oder fünf Blätter verkaufen. Währung: Reichsmark, ergänzt um CARE-Pakete aus der Schweiz (siehe Tafel 7)2.

Zusätzliche Anmerkung
Dass auch Ulrich Kirchner, der jüngste der drei Kirchner-Brüder, im Besitz von Werken seines Bruders war – auch von Gemälden – ist im Braith-Mali-Museum in Biberach an der Riss zu sehen und in der aktuellen Kirchner-Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg: „Fantastische Figuren“, vom 10. März bis 10. Juni 20193.


1, Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg,
2, Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt
3, ein Sohn von Ulrich Kirchner gleichen Namens wohnt heute in Biberach an der Riß