KirchnerHAUS Aschaffenburg, Kabinett-Ausstellung innerhalb der Ausstellung
»Ernst Ludwig Kirchner – Lebensstationen«,
Eröffnung am 17. Mai 2019,
Im Titel Kirchners Lithographie
»Mädchen mit Hut«
Es sollte eine Leseausstellung werden, gespeist aus Zeitungsausschnitten.
Die Ergebnisse unserer Nachforschungen sind in sieben Wandtafeln zusammengefasst. Da wir unsere ersten Informationen über die Ereignisse im Frühjahr 1948 vorwiegend Zeitungsartikeln verdanken, soll die Aufmerksamkeit vor allem darauf gerichtet werden.
So sind bei den Tafeln 3 bis 5 die ganzen Zeitungsseiten abgebildet und die betreffenden Artikel noch einmal vergrößert hervorgehoben. Auf diese Weise kann der Leser sich auch darüber informieren, was den Menschen damals wichtig war.
Bedenken Sie bitte, dass die Ausstellung als Lese-Ausstellung angelegt ist. Sie sollten etwas Zeit mitbringen.
Besonders freuen wir uns darüber, dass Ernst Ludwig Kirchners Lithographie »Mädchen mit Hut« im Original in dieser Ausstellung gezeigt werden kann. Das Blatt trägt auf der Rückseite den Besitzstempel von Walter Kirchner, dem Bruder des Künstlers. Er besaß lt. Gercken nur diesen einen von insgesamt vier Abzügen. Damit wissen wir, dass genau diese Graphik 1948 in Aschaffenburg gezeigt wurde.
Durchgeführt von Klaus und Ute Eymann im Auftrag von Frau Dr. Brigitte Schad mit der Zielsetzung:
Die Kirchner-Ausstellung 1948 und Christian Schads Mitwirkung daran
- Material in Kopien von Dr. Brigitte Schad:
- Zeitungsausschnitte des »Main-Echo«
- den Ausstellungsprospekt von 1948, der nun im Nachdruck vorliegt,
- die Tagesordnung von der Gründung der Aschaffenburger Kulturliga
vom 24. Februar 1948 (Christian-Schad-Stiftung).
Tafel 7
Korrespondenzen 1948 Walter Kirchners mit Frankfurter Kunstkabinett und Kulturamt Aschaffenburg [...]
Tafel 6
Die Kirchner-Ausstellung vom März 1948 – Versuch einer Rekonstruktion Es [...]
Tafel 5
Christian Schad und Ernst Ludwig Kirchner Der Kunstmaler Christian Schad [...]
Tafel 4
Die Aschaffenburger Kulturliga entdeckt E. L. Kirchner Das »Main-Echo« kündigte [...]
Tafel 3
Die Aschaffenburger Kulturliga Am 24. Februar 1948 wurde die Arbeitsgemeinschaft [...]
Tafel 2
Die ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg Die Bilder auf [...]
Tafel 1
Das Angebot eines Kirchner-Nachlasses Ernst Ludwig Kirchner starb am 15. [...]
Das Angebot eines Kirchner-Nachlasses
Ernst Ludwig Kirchner starb am 15. Juni 1938, Erna Schilling-Kirchner am 4. Oktober 1945. Im selben Monat wurde das Wildbodenhaus mit Kirchners nachgelassenen Kunstwerken von den Schweizer Behörden abgeschlossen. Am 4. Dezember 1945 wurde die Sperre des Nachlasses verfügt.
Eberhard W. Kornfeld, Bern, hat über den Weg von Ernst Ludwig Kirchners Nachlass geforscht und das Ergebnis 2017 in zwei Broschüren in seinem Verlag herausgegeben1. Danach nimmt im April 1946 Christian Anton Laely im Auftrag eines Notars den zeichnerischen und druckgrafischen Nachlass auf und fertigt ein Verzeichnis an. Nach Kornfelds Nachforschungen zweigt Kirchners letzter Schüler bei dieser Gelegenheit eine unbekannte Anzahl von Werken auf Papier ab, offenbar in der Absicht, sie in Deutschland zu verkaufen, entgegen einem Verbot der Alliierten. Er erfindet das Industriellen-Ehepaar Gervais, Zürich-Lyon und die »Society of Creative Intellectuals«, Davos. Unter diesem Namen erhält die Stadt Aschaffenburg 1946 das Angebot eines »Kirchner-Nachlasses«.
Am 14. Februar 1947 bedankt sich Oberbürgermeister Dr. Vinzenz Schwind bei den »sehr geehrten Herren« für »das hochwillkommene Angebot…« und lehnt es begründet ab. Eberhard W. Kornfeld hat den Wortlaut des Briefes zitiert. Er war adressiert an
Academie Internationale
International Society of
Creative Intellectials (sic!)
mit der damals üblichen anonymen Anrede: „sehr geehrte Herren“2.
Mehr konnte über dieses Angebot nicht herausgefunden werden. Es nicht bekannt welcher Teil des Nachlasses angeboten wurde noch ein Preis. Eine später genannte Versicherungssumme von 100 000 Sfr. beruht auf einer falschen Information (Kirchner-Symposium Davos und Frauenkirch 11. – 17. 9. 1988 bzw. »Main-Echo« vom 25. 3. 1989).
1 Eberhard W. Kornfeld, Die Geschichte des Nachlasses von Ernst Ludwig Kirchner ab 1938 bis heute, Bern, Juni 2017, S. 12. Ebd. Die Sammlung von hochwertigern Papierarbeiten von Ernst Ludwig Kirchner des Industriellen-Ehepaars Gervais, Zürich-Lyon. Ein Phantom, Bern, Juni 2017. Beide Schriften befinden sich in der Bibliothek des KirchnerHAUS-Vereins.
2 Dr. Sandra-Kristin Diefenthaler, Staatsgalerie Stuttgart, Auskunft am 04. 02. 2019. In »Ernst Ludwig Kirchner, die unbekannte Sammlung, Ausstellung in der Staatgalerie Stuttgart, Katalog S. 64, nennt Diefenthaler das Datum 4. Februar 1947 und bestätigt es par Mail im Februar 2019 noch einmal.
Die ersten Jahre nach dem 2. Weltkrieg
Die Bilder auf dieser Seite sollen erklären helfen, weshalb Dr. Vinzenz Schwind 1946/47 das Angebot aus der Schweiz nicht annehmen konnte (siehe Tafel 1). Wenige Jahre nach dem Kriegsende standen die Menschen vor immensen Herausforderungen . Herren der Stadt waren die Offiziere der US Militärregierung. Sie ernannten 1945 Dr. Vinzenz Schwind (12. Mai 1910 – 17. März 1974) zum Oberbürgermeister.
Die meisten Gebäude lagen in Trümmern, ein Foto zeigt die Luitpoldschule, in der die Kirchner-Ausstellung 1948 gezeigt wurde, auf einem anderen ist das Kirchnerhaus in der Ludwigstraße zu erkennen. Es herrschte Mangel an Wohnraum, Lebensmitteln, Kleidung, Geräten und Material; es gab zu wenige Arbeitskräfte. Einen Neuanfang brachte die Währungsreform am 20. Mai 1948.
Zur selben Zeit aber – kurz vor Weihnachten 1947 – wurde im Rahmen einer kleinen Ausstellung die von Christian Schad geschaffene Kopie der Stuppacher Madonna der Öffentlichkeit vorgestellt. Sie hängt seitdem in der Maria-Schnee-Kapelle der Stiftskirche, eingefasst in den Originalrahmen von 1517 mit dem Monogramm des Malers Matthias Grünewald.
Christian Schad war unter denjenigen Menschen, die sich im Frühjahr 1948 um eine Kirchner-Ausstellung bemühten. Er wusste um die Bedeutung Ernst Ludwig Kirchners und er war sensibilisiert, als sich die Gelegenheit bot, einige Graphikblätter dieses Künstlers zu einer kleinen Ausstellung nach Aschaffenburg zu bekommen.
Die Aschaffenburger Kulturliga
Am 24. Februar 1948 wurde die Arbeitsgemeinschaft Aschaffenburg der Kulturliga München im »Hopfengarten« gegründet. Dort steht heute die Stadthalle.
Vorstand
- Prof. Dr. Oskar Schürer (1892-1949), Kunsthistoriker, Darmstadt/Aschaffenburg,
- Hannes Neuner (1906-1978), Bauhausschüler, Staatl. Schule für Kunst und Handwerk, Saarbrücken. Er und seine Frau Eve Neuner Kayser stellen in der Ausstellung Aschaffenburger Künstler im März 1948 aus.
- Heiner Ruths (1920-1986), Kleiderfabrikant. Der Neue Kunstverein geht auf seine Initiative zurück, in Erlenbach plante er 1961 zus. mit Leo Hefner ein Corbusier-Museum mit Eckiger Schnecke. Mitbegründer der Galerie 59.
- Christian Schad (1894-1982), Kunstmaler
Weitere Mitglieder
- Dr. Josef Dessauer, Rechtsanwalt, Dr. Wilhelm Engelhard, Verleger,
- Otto Gentil, Bildhauer, Alfons Goppel, Rechtsrat (später bayer. Ministerpräsident),
- Dr. Fritz Koch, Gerichtspräsident (später bayer. Finanzminister),
- Dr. Hans Schad, Zahnarzt.
Die meisten Mitglieder der Kulturliga lehrten an der im März 1947 gegründeten VHS. Christian Schad begann erst im Sommersemester 1951 als VHS-Lehrer. In der Gründungsversammlung zu beschließende Punkte waren u. a.:
Ausstellung Kirchner, Nachlass Kirchner
Ziele
Die Kulturliga will »durch die Schaffung und Förderung vorbildlicher künstlerischer Leistungen an der Lösung der deutschen kulturellen Probleme« mitarbeiten. Nach Dr. Dessauer sollen die Aufgaben der Liga in einer Zusammenfassung »aller geistig Interessierten ohne Rücksicht auf Alter, weltanschauliche Herkunft oder politische Einstellung gelöst werden«. Jedes Mitglied müsse sich »der Pflege einer echten und wahrhaften Kunst unterordnen«.
Prof. Dr. Oskar Schürer schreibt später im Faltblatt zur Kirchner-Ausstellung, die Liga wolle »in die harten Mühen des Alltags einen Strahl von Besinnung, Freude und Selbstverstehen lenken« und das Reich der Kunst denen erschließen, »die offenen Herzens sind«. Auch will die Kulturliga Musik und Bildende Kunst in der Stadt neu beleben. Sie bietet der Stadt die Zusammenarbeit an, will bei Stadtratsitzungen mit kulturellem Bezug Sachverständige aus ihren Reihen beistellen. Das aber lehnt Rechtsrat Alfons Goppel ab.
Die Kulturliga macht aufmerksam auf eine Ausstellung von Kirchner-Grafik in Frankfurt und möchte diese nach Aschaffenburg holen (Brief an den Oberbürgermeister vom 28. 2. 1948). Christian Schad gehört zu den Unterzeichnern.
Aus dem ME-Bericht vom 27. Februar 1948
…Weiterhin soll ein Vortragszyklus über »Das Weltbild des 20. Jahrhunderts« veranstaltet werden. Vorführungen von neuen englischen, französischen, italienischen und russischen Filmen sollen die Bevölkerung mit dem modernen Filmschaffen, musikalische Darbietungen mit der neuen Musik vertraut machen. Außerhalb der Aschaffenburger Altstadt soll einem neuzeitlichen Baustil die Möglichkeit zur freien Entfaltung gegeben werden. Die Liga, die in Form eines englischen Klubs an die Öffentlichkeit treten will, möchte ihre Ausstellungs- und Klubräume im Dalbergschen Haus in der Stiftsgasse zusammen mit dem Besitzer einrichten.
Die Aschaffenburger Kulturliga veranstaltet im Frühjahr 1948 noch einige Konzerte. Danach wird nichts mehr von ihr vernommen.
Kulturbund der DDR
Die Kulturliga München war ein Ableger des Deutschen Kulturbunds, 1945 gegründet in Berlin Ost durch Johannes R. Becher, später Kulturminister der DDR, Dichter der Nationalhymne der DDR. Mitglieder im Deutschen Kulturbund der DDR waren auch die Maler Karl Hofer und Max Pechstein. Ehrenvorsitzender war Gerhard Hauptmann. (Wikipedia)
Quellen zum Deutschen Kulturbund: Wikipedia und Andreas Zimmer, Der Kulturbund in der SBZ und in der BRD: Eine ostdeutsche Kulturvereinigung im Wandel der Zeit zwischen 1945 und 1990, Springer Fachmedien, Wiesbaden 2019.
Die Aschaffenburger Kulturliga entdeckt E. L. Kirchner
Das »Main-Echo« kündigte am 2. März 1948 einen Aschaffenburger als Bahnbrecher moderner Kunst an. Mit großer Energie bereiteten die Verantwortlichen der Aschaffenburger Kulturliga die erste Kirchner-Ausstellung in der Stadt vor. Viel Zeit war nicht, den großen Sohn der Stadt kennenzulernen, denn die Ausstellung war nur vom 6. bis 12. März zu sehen.
Der Stadtrat winkte das Vorhaben schon einen Tag nach der Gründung der Kulturliga durch. In dessen Protokoll ist vom Graphiker Ludwig Kirchner die Rede. Die Stadtverwaltung fand einen Raum in der kriegsbeschädigten Luitpoldschule, in der kurz vorher der Unterricht wieder aufgenommen worden war.
Die Exponate kamen aus Frankfurt, wo die Galeristin Hanna Bekker vom Rath in ihrem Frankfurter Kunstkabinett vom 24. Januar bis Ende Februar eine Verkaufsausstellung mit Graphik und Aquarellen Kirchners aus verschiedenen Sammlungen zustande gebracht hatte.
Die Kulturliga bestellte im Auftrag der Stadt einen kleinen Prospekt bei der Druckerei Kirsch. Der Stadtrat steuerte 800 RM bei für die Versicherung. Dr. Willibald Fischer, damals Leiter des Kulturamts, pflegte die Korrespondenz mit Walter Kirchner und lieferte später die in Aschaffenburg gezeigten 34 Kirchner-Grafiken nach dessen Weisung im Landesmuseum Wiesbaden ab. Sie gingen von dort nach Köln, wo sie bei der Galerie Dr. Werner Rusche im Juli 1948 ausgestellt wurden.
Es ist festzustellen, dass in Aschaffenburg keine Graphik aus dem Schweizer Nachlass Ernst Ludwig Kirchners gezeigt wurde. Bruder Walter Kirchner war es, der seine Bestände auf die Reise geschickt hatte1 – viele davon als unverkäuflich bezeichnet. Hanna Bekker vom Rath konnte während ihrer Ausstellung vier oder fünf Blätter verkaufen. Währung: Reichsmark, ergänzt um CARE-Pakete aus der Schweiz (siehe Tafel 7)2.
Zusätzliche Anmerkung
Dass auch Ulrich Kirchner, der jüngste der drei Kirchner-Brüder, im Besitz von Werken seines Bruders war – auch von Gemälden – ist im Braith-Mali-Museum in Biberach an der Riss zu sehen und in der aktuellen Kirchner-Ausstellung im Kunstmuseum Ravensburg: „Fantastische Figuren“, vom 10. März bis 10. Juni 20193.
1, Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg,
2, Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt
3, ein Sohn von Ulrich Kirchner gleichen Namens wohnt heute in Biberach an der Riß
Christian Schad und Ernst Ludwig Kirchner
Der Kunstmaler Christian Schad kam 1942 wegen eines Porträtauftrags nach Aschaffenburg. Er blieb in der Stadt, da sein Atelier in Berlin im selben Jahr durch Bomben zerstört worden war. In dieser Zeit erhielt er von Oberbürgermeister Wilhelm Wohlgemuth den offiziellen Auftrag, eine Kopie der Stuppacher Madonna von Matthias Grünewald anzufertigen. 1962 zog er nach Keilberg, wo er für sich und seine Frau Bettina ein Haus mit Atelier gebaut hatte.
Wenngleich Christian Schad zeitweise in der Schweiz und in Berlin gelebt hatte, sind sich die beiden Maler nie begegnet. Schad kannte die Bedeutung Kirchners und schätzte seine Kunst, obwohl er selbst ganz anders malte.
Mit seiner Berufung in die Arbeitsgemeinschaft Aschaffenburg der Münchner Kulturliga war er von Anfang an mit dem Projekt einer Kirchner-Ausstellung in Aschaffenburg befasst. Ob er die Originale in die von der Stadt zur Verfügung gestellten Wechselrahmen eingesetzt hatte, ist nicht belegt wohl aber, dass er für deren Abhängung und Verwahrung im Tresor der Städtischen Sparkasse gesorgt
hatte.
Christian Schad verdanken wir eine Beschreibung der meisten der ausgestellten Kirchner-Grafiken in der Main-Echo-Ausgabe vom 9. März. Er vergisst auch nicht, die Technik zu benennen, in der jedes Blatt entstanden ist. Seine Anerkennung von Kirchners Schaffen wird in seinen Worten mehrfach deutlich.
Diese kleine Ausstellung in der Luitpoldschule und ihre Würdigung in der Presse durch Christian Schad ist die erste öffentliche Anerkennung Ernst Ludwig Kirchners in seiner Geburtsstadt. Im selben Jahr (zehn Jahre nach Kirchners Tod) würdigte Franz Schaub im »Main-Echo« das Lebenswerk des Künstlers. 1952 führte Anton Bruder im Rahmen einer organisierten VHS-Reise Aschaffenburger Bürger durch die erste große Kirchner-Ausstellung in Mannheim, und sein Kollege Gunter Ullrich wies immer wieder auf die Bedeutung von Ernst Ludwig Kirchner hin.
Die Kirchner-Ausstellung vom März 1948 – Versuch einer Rekonstruktion
Es gibt zwei Standardwerke zur Kirchner-Graphik, die auch in unserer Bibliothek stehen, nämlich den »Dube« in 2 Bänden1 und den »Gercken« in bisher 4 Bänden2. Annemarie und Wolf-Dieter Dube teilen in ihrem Werk Kirchners Graphik ein in Holzschnitte, Radierungen, Lithographien und nennen zu jedem Werk einen Titel. Diese Titel sind in den meisten Fällen vom Künstler selbst vergeben worden und sind heute noch gebräuchlich, z. B. in Auktionskatalogen.
Die in Tafel 6 gezeigten Arbeiten Ernst Ludwig Kirchners sind ausgewählt nach den Titeln des Ausstellungsprospekts von 1948 (Bildmitte). Es sind 34 Grafik-Blätter genannt. Sie sind hier abgebildet mit Ausnahme der Titel Nr. 13 »Alter Mann „Der Vater“« und Nr. 17 »Berglandschaft – Davos«. Beide konnten nicht nachgewiesen werden. Unter dem Titel »Taunustannen« schuf Kirchner 2 Holzschnitte, 1 Radierung und 1 Lithographie. Welche unter Nr. 1 bzw. 23 in der Ausstellung zu sehen waren, ist ungewiss. Es sind deshalb in unserer Rekonstruktion alle vier Blätter zu sehen. Das Motiv »Heuernte« hat Kirchner viermal dargestellt. Auch hier zeigen wir seine vier Versionen (Nr. 22a bis 22d).
Die in der Bildunterschrift genannten Jahreszahlen sind dem »Dube« entnommen. Davor stehen ein H (Holzschnitt), R (Radierung) oder L (Lithographie), was auf die Technik hinweist. Auch die Maße sind in den Standardwerken zu finden. Die einzelnen Blätter sind auf dieser Tafel in etwa nach den Größenverhältnissen abgebildet.
Zuletzt ist noch einmal auf den »Weg der Bilder« hingewiesen. Den konnten wir im Stadt- und Stiftsarchiv Aschaffenburg und im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte entdecken. Im Historischen Museum der Stadt Köln fanden wir die Ankündigung der Ausstellung der Galerie Dr. Werner Rusche im Juli 1948.
Darstellung der Drucktechniken
Unter Tafel 6 liegt ein transportables Brett zur Erläuterungen der Druckverfahren:
Radierung, Lithographie, Holzschnitt.
Zwei Griffe erlauben die Betrachtung an beliebiger Stelle, auf einem Stuhl sitzend.
Die drei gezeigten Originale sind in unterschiedlichen Techniken entstanden: Ernst Ludwig Kirchner »Mädchen mit Hut« als Lithographie, Schadporträt »Ulla« in Mischtechnik, Schadporträt »Bettina« ist eine Radierung.
Zu Christian Schads Bildbeschreibungen finden Sie zwei Doppelseiten in einem Ständer, die es Ihnen erlauben in Ruhe den Text Schads mit den beschriebenen Abbildungen zu vergleichen.
1, Dube, Annemarie und Wolf-Dieter, E. L. Kirchner. Das graphische Werk, 2 Bände, Prestel-Verlag München 1991. Bei Dube für einzelne Motive geringfügig abweichende Titel.
2, Gercken Günther, Ernst Ludwig Kirchner. Kritisches Werkverzeichnis der Druckgraphik. 4 Bände. Galerie Kornfeld Verlag AG Bern 2013-2015. In Vorbereitung Bände 5-6.
Korrespondenzen 1948
Walter Kirchners mit Frankfurter Kunstkabinett und Kulturamt Aschaffenburg
Auf dieser Tafel sind einige Schriftstücke aus der Korrespondenz Walter Kirchners, des Bruders Ernst Ludwig Kirchners, wiedergegeben und zwar mit Frau Hanna Bekker vom Rath, der Galeristin des Frankfurter Kunstkabinetts und dem Kulturamt Aschaffenburg. Dabei sind hervorzuheben:
9. Februar, Brief Walter Kirchners an Hanna Bekker vom Rath. Er weist darauf hin, dass sein Bruder 1,80 groß und schlank war. Er beklagt, dass in Frankfurt nur fünf Blätter aus seiner Sammlung gezeigt werden konnten und will mehr über die »Sammlung Hagemann« erfahren1. Walter Kirchner plant in Berlin eine Gedächtnisausstellung für seinen Bruder.
11. Februar, Telegramm. Walter Kirchner stimmt dem Verkauf des Blattes K 166 zu. Es handelt sich um das Motiv Badende Frauen zwischen weißen Steinen. Als Gegenleistung sollten drei CARE-Pakete geliefert werden. Das waren von der CARE-Organisation in den USA zusammengestellte Pakete zur Linderung der Not im Nachkriegsdeutschland. Sie konnten gegen Devisen in Auftrag gegeben werden. Vom Inhalt eines Pakets sollte eine Familie sich einen Monat lang ernähren können. 1948 betrug der Preis für ein CARE-Paket 53,32 CFR.
2. März, Heiner Ruths nimmt im Frankfurter Kunstkabinett 34 Grafik-Blätter von Ernst Ludwig Kirchner in Empfang. Links sind die Nummern genannt, nach denen Walter Kirchner seinen Bestand geordnet hatte. Es folgen Titel und Technik, zuletzt eine Richtzahl, die der Bewertung der Blätter diente. Für den Verkauf an das Frankfurter Kunstkabinett war die Zahl mit dem Faktor 10 zu multiplizieren. In roter Farbe durchgestrichene Zahlen bedeuten, dass der Titel unverkäuflich ist. Dazu gehört wieder Blatt K 166, Badende Frauen zwischen weißen Steinen.
10. April, das Frankfurter Kunstkabinett hat drei Kirchner-Grafiken verkauft:
K 029 Mädchenakt, Richtzahl 85 x 10 = RM 850,–
K 098 Weiblicher Akt, Richtzahl 60 x 10 = RM 600,–
K 123 Tänzerin Palucca, Richtzahl 120 x 10 = RM 1200,–
Walter Kirchner hatte eine Liste seiner Grafik-Blätter angelegt. Nach der Übergabeliste für Aschaffenburg vom 2. März musste sie mehr als 338 Blätter umfasst haben. Weder die Registerfolge noch die Bewertung nach Richtzahl folgen einem erkennbaren Schema.
Zu Walter Kirchners Bestätigungsstempel (nicht auf Tafel 7)
Bei Günther Gercken, einem der Standardwerke zur Kirchner-Graphik, findet sich im Vorspann der Bände ein Verzeichnis von Nachlassstempeln, darunter auch der Bestätigungsstempel des Bruders Walter Kirchner mit folgendem Text: »Diese Graphik Katalog K Nr. 100 ist eine Originalarbeit meines Bruders Ernst Ludwig Kirchner. Dipl. Ing. Walter Kirchner, Berlin-Grünau, den 22. August 1947«2.
Unsere Kabinett-Ausstellung zeigt als einziges Original die Lithographie »Mädchen mit Hut«. Dieses Blatt stellte uns ein Sammler (Privatsammlung Deutschland) leihweise zur Verfügung. Mit Zustimmung des Leihgebers wurde am 29. April von einer Restauratorin der Rahmen der Lithographie geöffnet und festgestellt, dass das »Mädchen mit Hut« auf der Rückseite unten links den Bestätigungsstempel Walter Kirchners trägt mit folgendem Text:
Diese Graphik Katalog K Nr. 109 ist eine Originalarbeit meines Bruders Ernst
Ludwig Kirchner. Dipl. Ing. Walter Kirchner, Berlin-Grünau, 1. 1. 1948«.
Der Stempel auf der Rückseite beweist, dass diese Lithographie in der Kirchner- Ausstellung 1948 gezeigt wurde. Zusammen mit den anderen 33 Blättern der Aschaffenburger Ausstellung ging sie dann zur Galerie Dr. Werner Rusche in Köln, wo sie im Juli 1948 vermutlich ausgestellt wurde. Welche Kirchner-Grafiken Rusche verkaufte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Das Historische Archiv der Stadt Köln bewahrt außer der auf dieser Tafel gezeigten Postkarte keine Archivalien über diese Ausstellung.
1, Dr. Carl Hagemann (1867-1940) lebte zu dieser Zeit nicht mehr. Lt. Wikipedia gingen die Graphik und die Zeichnungen seiner Sammlung als Geschenk an das Städel, Frankfurt. Aus der »Sammlung Hagemann« hatte das Frankfurter Kunstkabinett 42 Blätter ausgestellt, wie ein Faltblatt zu dieser Ausstellung zeigt (Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt Sign. W1-69/111).
2, Walter Kirchners Katalog seiner Graphikblätter von E. L. Kirchner konnte nicht nachgewiesen werden. Im Übergabeprotokoll vom 2. 3. 1948 an die Kulturliga (Tafel 7) wird »350, Frauenakt«, als höchste Ziffer genannt. Welche Graphik sich hinter »Katalog Nr. K 100« verbirgt, ist unbekannt.